De Passage Den Haag: Leerstellen ausfüllen

In einem Interview erzählt Joel Rutten, leitender Architekt und Geschäftsführer von Bernard Tschumi Architects, mehr über das Konzept und die Geometrie des ikonischen Designs, das aktuell 10.000 m² Einzelhandelsfläche und 118 Hotelsuiten in einem Suite-Novotel-Hotel beherbergt.

De Passage
Bernard Tschumi

Zur Referenzen und Fallstudien

 

Das bekannte Architekturbüro Bernard Tschumi Architects erhielt den Auftrag, ein neues, ikonisches Gebäude im Zentrum von Den Haag in den Niederlanden zu entwickeln. Der Kunde Multi, eine weltweit tätige Entwicklungsgesellschaft, verlangte von den Architekten, ein Gebäude, das an eine zukünftige Nutzung angepasst werden kann, sowie eine helle und offene Umgebung für Besucher schafft, die zugleich über eine deutlich niederländische visuelle Identität verfügt. Das Resultat ist „De Passage Den Haag“, eine lange, lichterfüllte Passage, die zwei Haupteinkaufsstraßen verbindet und und aus zwei Gebäuden besteht, die das Konzept durch ein besonderes Außendesign präsentieren. Die Idee von Offenheit und Identität wird anhand der Fassade aus glasierten, weißen Keramikfliesen von Mosa deutlich, die mit blauen Punkten verziert sind – eine Referenz an das Delfter Blau, das weltberühmte niederländische Porzellan, das seit dem 16. Jahrhundert in Delft hergestellt wurde, und natürlich an das Blau des Himmels, der sich in den Fliesen spiegelt.

 

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Die Passage zwischen den beiden Gebäuden ist ein zentrales Element.

Joel Rutten: In Nordeuropa dienten Passagen ursprünglich dazu, im Winter Menschen vor widrigen Wetterbedingungen zu schützen und ihnen einen beleuchteten und offenen Unterschlupf zu bieten. Obwohl wir viele Flächen für Geschäfte und Hotels schaffen, wollten wir die Funktion einer Passage als Freiraum für Menschen in einem urbanen Kontext beibehalten. Diese Eigenschaft ist einzigartig, da die Funktion sich nicht nur auf die Passage selbst erstreckt, sondern auf die gesamte Stadt.



„Diese Eigenschaft ist einzigartig, da die Funktion sich nicht nur auf die Passage selbst erstreckt, sondern auf die gesamte Stadt.“


Welche Idee lag dem Design zugrunde?

Eigentlich wollten wir mit der Passage eine Leere schaffen. Das war unsere Hauptaufgabe für das Design, denn es sollte offen und flexibel sein und nicht vom Inhalt abhängig. Der zentrale Bogengang wird durch ein zum großen Teil verglastes Dach offen gehalten, während das Hauptgebäude den Eindruck verleiht, aus einem Stück geschnitzt zu sein.

 

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Wie haben Sie das umgesetzt, wie haben Sie eine Leere geschaffen, die zugleich ein Raum mit eigenem Charakter und ikonischer, physischer Identität ist?

Über die Fassade. Der Inhalt des Gebäudes musste flexibel sein, die Präsenz sollte durch die Außengestaltung erreicht werden. Wir wollten keine schweren Elemente, die den Raum fixieren würden – der Raum sollte ein Gefühl von Leichtigkeit, Offenheit und Transparenz vermitteln.

Viele Leute assoziieren das Außendesign mit dem Himmel und den Wolken, ein Konzept, das im Hintergrund diskutiert wurde. Diese Elemente haben das Design beeinflusst und spiegeln sich im organischen Charakter der Fenster und im blau-weißen Design der Keramikfliesen von Mosa wieder.

 

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„Rechtwinklige Fliesen mit blauen Punkten, die eine gewisse Kontinuität schaffen, ohne die Spannung zu zerstören.“

 

Wie wichtig war es, das niederländische Erbe ins Design aufzunehmen, vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Besucher aus dem Ausland kommen und Den Haag als eines der kulturellen Zentren der Niederlande gilt?

Wir wollten von Anfang an erforschen, was typisch „niederländisch“ ist und was die Niederlande in der Welt so besonders macht. Unsere Untersuchungen ergaben, dass die Niederlande als individuell, pragmatisch, kreativ und effizient gelten. Außerdem wollten wir die niederländische Kultur in Den Haag erforschen und haben untersucht, inwiefern das Design am Standort davon profitieren könnte. Da es das Ziel war, ein internationales Publikum zu erreichen, entwickelte sich die lokale Identität rasch weiter zu einer gesamtniederländischen Identität. So entstand auch die Idee, Delfter Blau zu verwenden. Delfter Blau steht nicht nur für Delft, sondern für die Niederlande insgesamt, und wurde für einige der wichtigsten Designelemente in Betracht gezogen, unter anderem eben auch für die Fassade. Bei unserer Recherche stießen wir auch auf Mosa, ein Unternehmen, das über 130 Jahre Erfahrung in der Herstellung von individuellen Keramikfliesen in den Niederlanden verfügt und sich damit als Kandidat quasi aufdrängte.

Die Fassade kombiniert mit ihren rechtwinkligen und runden Konturen geometrische Formen.

Es war wichtig, außen durch zwei verschiedene logische Muster – winklige und freie Formen – eine Art Spannung aufzubauen. Die Konfrontation dieser logischen Muster kreiert Momente. Die Winkel entstehen durch die Gesamtform des Gebäudes und die genaue Zusammenstellung der rechtwinkligen Keramikfliesen von Mosa. Die fließenden Konturen der Fenster und die Kreise auf den Fliesen sorgen für die freie Form. Die Fliesen betonen die Beziehung dieser beiden logischen Muster, da sie für beides stehen: rechtwinklige Fliesen mit blauen Punkten, die eine gewisse Kontinuität schaffen, ohne die Spannung zu zerstören.

 

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„Schließlich entwickelte sich das Konzept der Fenster als 'Wolken.“

 

Welche Idee, welches Gesamtkonzept steht hinter der Verkleidung?

Grundidee war es, eine Verkleidung zu entwickeln, die das ganze Gebäude wie eine Schrumpffolie umgibt. Die Verkleidung sollte abstrakt sein und keinen Zweck erfüllen, da wir das Innere als Leerraum definiert hatten. Schließlich entwickelte sich das Konzept der Fenster als „Wolken“, wodurch der Eindruck entstand, dass das Gebäude von freien Formen umgeben ist. Der Kontrast mit dem strengen Raster der Fliesen verleiht der Fassade einen verspielten Effekt.


Die Fenster fallen durch abenteuerliche und komplizierte Geometrie auf.

Eine der „Wolken“ enthält drei verschiedene Facetten mit zwei Winkeln, sodass man unter geometrischen Aspekten tatsächlich von einer Komplexität sprechen kann. Wir wollten sanfte, offene und fließende Übergänge, was in technischer Hinsicht natürlich äußerst anspruchsvoll ist. Es war eine echte Herausforderung, aber wir hatten immer geplant, die starre Außenhaut aufzulockern, die Geometrie aufzubrechen, um interessante Momente zu schaffen.

 

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„...die sowohl die niederländische Kultur als auch die sich entwickelnden Eigenschaften der Rohmaterialien zum Ausdruck bringen konnte.“

 

Wann haben Sie sich dafür entschieden, Keramikfliesen für die Fassade zu verwenden? Haben Sie auch andere Materialien in Betracht gezogen?

Der Verlauf war alles andere als gewöhnlich, da die Idee Blau und Weiß zu verwenden zum Delfter Blau führte und mit dem Delfter Blau im Hinterkopf entstand der Gedanke, Fliesen zu benutzen. Ausgangspunkt waren also die Farben, aber das Material passt perfekt zu unserem Arbeitsethos. Wir arbeiten gerne mit echten Materialien, die etwas Ursprüngliches an sich haben, wie Sichtbeton, Stahl und Keramik. Wir wollen lieber die Optionen von Rohmaterialien zeigen als Materialien verwenden, die andere Materialien imitieren.

Wir haben uns an Mosa, den Experten für keramische Fassadenfliesen, gewendet, um die Möglichkeiten einer einzigartigen gestalteten Fliese zu erkunden, die sowohl die niederländische Kultur als auch die sich entwickelnden Eigenschaften der Rohmaterialien zum Ausdruck bringen konnte. Was uns von Anfang an begeisterte, waren die Qualität und die C2C-Eigenschaften (Cradle to Cradle) der Fliesen, die sie zu einem dauerhaften und nachhaltigen Material für die Fassade machen. Die Entscheidung für die Mosa-Keramikfliesen fühlte sich letztendlich sehr natürlich an. Die Struktur, Verarbeitung und grafische Qualität der Fliesen haben ebenfalls zu unserer Entscheidung beigetragen.

 

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Also diente die Farbe als Grundlage für die Wahl des Materials?

Irgendwann haben wir auch in Erwägung gezogen, farbige Glasplatten, Frittung oder Buntglas zu verwenden. Aber letztendlich waren wir überzeugt, dass Keramikfliesen die optimale Wahl sind - die Materialstruktur, die Verarbeitung und die Fähigkeit einen grafischen Ausdruck zu vermitteln, waren die ausschlaggebenden Merkmale.

Was war für das Design der Fliesen entscheidend?

Das Delfter Blau hat sich zu einem festem Thema entwickelt, das eine Einbindung sowohl in einen lokalen als auch einen gesamtniederländischen Kontext ermöglicht; aber da wir Offenheit und Innovation darstellen wollten, brauchten wir mehr als nur blaue Fliesen. Es hätte seltsam ausgesehen, wenn wir große Flächen ausschließlich mit blauen Fliesen verkleidet hätten, also haben wir uns für ein Muster entschieden, das blaue Punkte auf weißen Keramikflächen bietet, um die Farbkontinuität aufzubrechen und dem Muster der Fassade Raum zum Atmen zu geben.

 

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Wie haben Sie das Muster auf der Fassade entwickelt? Gibt es eine bestimmte Methode?

Das Muster ist nach dem Zufallsprinzip angelegt, aber die fließenden Konturen, die Sie sehen, folgen einer Methode, obwohl die Anordnung der einzelnen Fliesen von einem Computerprogramm vorgenommen wurde. Mosa schuf acht verschiedene maßgefertigte Fliesen, die zu zwei Farbfamilien gehören – hellblaue und dunkelblaue Punkte auf einer komplett weißen Fliese. Die Punkte sind auf einer 60 cm x 60 cm großen Fliese in vier Mustern angeordnet. Durch Drehen der Fliesen um 180 Grad entsteht die Illusion einer größeren Fliesenvielfalt. Das bedeutet, dass wir so viele Kombinations- und Verbindungsmöglichkeiten hatten, dass man kein Muster mehr ablesen kann, sondern eine vollständige keramische Haut erhält.

Betrachter vergleichen das Aussehen der Fassade mit einem Bild aus Pixeln – uns gefällt, dass die Fassade so unterschiedlich interpretiert werden kann, was durchaus mit der reflektierenden Oberfläche zusammenhängt. Glasierte Fliesen bieten eine zusätzliche Qualität: Das Licht, das Keramikfliesen von Mosa einfangen und reflektieren, führt zu interessanten Veränderungen der Fassade. Manchmal spiegelt sich der Himmel subtil auf den Fliesen und manchmal spürt man, wie Wolken vorbeiziehen – solche Erfahrungen lassen das Gebäude geradezu himmlisch wirken.

 



„Betrachter vergleichen das Aussehen der Fassade mit einem Bild aus Pixeln – uns gefällt, dass die Fassade so unterschiedlich interpretiert werden kann.“

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Die Fassade wirkt wie aus einem Guss. War es schwierig, diesen Effekt zu bewerkstelligen?

Wir haben Mosa viel Vertrauen entgegengebracht, da man uns versichert hat, dass Mosa unsere Vorgaben umsetzen kann: ein Mindestabstand zwischen den Fliesen und eine minimale Toleranz. Das war eine bedeutende Entscheidung, da wir die Systeme, die wir zuvor in Kombination mit Keramikfliesen – Direktverklebung mit der Hauptkonstruktion – verwendet haben, aufgrund der niederländischen Baugesetze nicht verwenden konnten. Wir brauchten ein mechanisches Befestigungssystem, das dem Frost-Tau-Wechsel unter den in den Niederlanden herrschenden Klimabedingungen entgegenkommt. An einem Punkt zogen wir ein Bänderung der Fassade in Betracht, um Verschiebungstoleranzen zu ermöglichen, aber Mosa versicherte uns, dass das Unternehmen in der Lage sei, ein System bereitzustellen, das ohne Bänderung unseren ursprünglichen Aufrissen entsprechen würde – und genau das war der Fall.

Nicht nur die Positionierung der Fliesen lässt die Fassade wie aus einem Guss erscheinen. Die Fertigungsweise der Fliesen sorgt ebenfalls dafür, dass die Oberfläche quasi nahtlos erscheint. Die blauen Punkte werden vor dem Brennen auf die Glasur gesetzt, sodass sich die Punkte in der weißen Struktur und nicht auf ihr befinden. Dadurch entsteht eine Keramikfliese, die in ihrer Struktur langlebiger und in der Endverarbeitung glatter ist, eine pflegeleichte Lösung mit einer langen Lebensspanne. Dieser Detailreichtum entspricht dem ursprünglichen Angebot von Mosa, geht über die Anforderungen hinaus und erweitert die Möglichkeiten von Keramikfliesen.

Inwiefern spielt Nachhaltigkeit eine Rolle im Design?

Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Faktor in unserem Designprozess. Das Glas hat einen Grauton, weil graues Glas Wärme reflektiert und wir gleichzeitig eine andere Lösung für Wärmegewinnung im Norden entwickelt haben. Passive Strategien zur Nachhaltigkeit haben bei diesem Gebäude eine so große Rolle gespielt, dass es ein BREEAM-NL-Zertifikat für Neubauten mit der Bewertung „Gut“ erhalten hat.

Gleichgewicht steht im Mittelpunkt unserer Strategien, denn wir beschränken uns nicht auf einen einzigen Aspekt. Wir bevorzugen Kompromisse, da zusätzliche Anstrengungen, die nicht unbedingt technologischer Natur sind, notwendig sind, wenn man mit Rohmaterialien arbeitet. Die von uns verwendeten Materialien sind umweltfreundlich, wie die Keramikfliesen von Mosa, die C2C-zertifiziert (Cradle to Cradle) sind. Wenn die Materiallieferanten ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt unter Beweis stellen, bietet auch das Gebäude ein höheres Nachhaltigkeitspotenzial.

 

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Projektdetails
Projekt: De Passage
Architekt: Bernard Tschumi Architects
Ort: Den Haag (Niederlande)
Fläche: 2014 m²
Fertigstellung: 2013
Weitere Informationen

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